Der nördliche Ausläufer des Prenzlauer Berges rund um den Humannplatz gehört eigentlich schon zur kulinarischen Diaspora und verbreitet deutlich weniger Schwabenglamour als das Karree einen Block weiter südlich rund um den Helmholtzplatz. Zwar gibt es bei Zia Maria in der Pappelallee eine der aufregendsten Pizzen der Stadt, die aber eher mittags oder zwischendurch. Einzig das ‚Frau Mittenmang‘ stand in diesem Kiez auf unserer Wunschliste, das allerdings schon lange und aus besonderem Grund.
Das ‚Frau Mittenmang‘ stand Pate für das Konzept unseres Stammrestaurants ‚Parkstern‘ – schlicht weil der Betreiber des letzteren lange Jahre in ersterem gearbeitet hat und die Räumlichkeiten beider Lokale einiges gemeinsam haben, zuvorderst eine unübersehbare Vergangenheit als Eckkneipe. Das fasst das Konzept des ‚Frau Mittenmang’ auch – etwas vereinfacht – gut zusammen: überraschend gute Küche hält Einzug in überraschend schlichten Gastraum. Nehmen wir das Fazit vorweg: die Küche ist wirklich richtig gut, der Gastraum aber so schlicht, dass der Wohlfühlfaktor ein bisschen leidet (zumindest im Hauptraum). Wer sich davon freimacht, dass das Mäkeln an der Einrichtung ihn in Berlin als Zugezogenen, Spießer, Ü-40 und allerlei anderswie schlecht beleumundetes Wesen outet, der kommt um die Feststellung nicht umhin, dass die Kombination von Küche und Einrichtung im ‚Frau Mittenmang‘ die Assoziation von den Perlen und Säuen weckt (die eh nur zugezogene Spießer über 40 noch im Sprachgebrauch haben). Genug gemeckert. Auf ans Loben. Reden wir über das Essen.
Frau Mittenmang kann kochen
Wir starteten mit einer Vichyssoise mit buntem Pfeffer und einer Fin de Claire als Einlage, im eleganten Martini-Cocktailglas sehr schön angerichtet, rundum gelungen und dank das Abschmeckens mit dem Austernwasser mit einem erfrischenden Kick. Der geräucherte Büffelmozzarella kam unter der Dunstglocke am Tisch an, verströmte entsprechend sein leckeres Raucharoma als Live-Ereignis und wurde exzellent von Grillgemüse und feiner Auberginencreme begleitet – ein Erlebnis. Auch der gebackene Taleggio mit Sanddorn und Kohlrabi schmeckte uns sehr gut. Zum Hauptgang wollten wir es deftig: Hirschbäckchen in Balsamico mit Karotten und Quatre Épices Malfatti. Wenn man das Haar in der Suppe sucht, dann findet man es hier, war von den vier Gewürzen in den Malfatti (Spinat-Ricotta-Klößen) doch eher wenig zu schmecken und die Beilage ein wenig trocken. Aber dieses Jammern erfolgt nur, damit wir uns nicht vorwerfen lassen müssen gänzlich unkritisch zu sein, das Gericht war ausgezeichnet. Das Yakitori-Huhn mit Teriyaki-Sauce, Pak Choi und Kartoffel-Wasabi-Püree war saftig, würzig, lecker. Die Karte hielt auch raffiniertere Kompositionen wie etwa Spanferkel mit Pomelo, Limette, Koriander, Chili und Erdnuss und exotischere Tiere wie Knurrhahn bereit.
Zwei Desserts standen zur Auswahl und beide waren sehr gut. Das Honig-Ziegenkäse-Eis war so dezent gesüßt, dass die herzhafte Komponente vom Ziegenkäse nicht übertüncht war, was dann mit schwarzer Walnuss, Birne und Baba au Rum eine perfekte Komposition für Nachspeisenmuffel ergab. Das Mittenmängchen ist eine Erfindung des Hauses, über die nur verraten sei, dass sie sehr gut schmeckt.
Die Weinkarte des ‚Frau Mittenmang‘ ist ordentlich, wird der Vielfalt der Küche aber nur einigermaßen gerecht. Die Preise sind sehr moderat, die Auswahl auch für Vegetarier attraktiv. Der Service ist gut, Reservierung unbedingt zu empfehlen.
Bei aller Kritik an der Einrichtung wollen wir nicht verhehlen, dass ‚Frau Mittenmang‘ im Wettbewerb um die schrulligste Herrentoilette ganz weit vorne liegt. Ein Piano auf dem Pissoir – weit außerhalb des Spritzradius’ – da muss man erst mal drauf kommen.
Hier geht’s zur Website von Frau Mittenmang
Ambiente: schlicht
Preise: gemäßigt
Preis-Leistungsverhältnis: exzellent
Fazit: Feine Speisen in rustikalem Ambiente
Wir wohnten zwei Jahre nebenan. Ziemlich seltsame Kombinationen auf der ständig wechselnden Karte: schwarze Tintenfischspaghetti mit scharfer spanischer Wurst und dazu sauren Kumquats. So oder so ähnlich ist mir der Laden, in dem wir so oft waren, in Erinnerung geblieben.. Mit achtjähriger Verspätung wurde 2012 aus New York der Cocktail mit Ginger Beer kopiert. Wirklich lauter Gasteraum. Das einzig Gute war in den zwei Jahren die blonde, freche Kellnerin. Echte Berlinerin.
Das Essen war immer Möchtegern, geschmacklich immer überzogen, zu scharf, zu sauer, zu viel Knoblauch, zu viel Rauch, immer abenteuerlich und nie elegant oder geschmacklich fein.
Im Fenster sieht man die Köche im Stress, dem Alkohol nicht abgeneigt. Selten gelungen.
Warum man hierher gehen sollte bleibt mir vollkommen schleierhaft.
Ich kann nur das beurteilen, was ich letzte Woche auf dem Teller hatte und das war nicht zu scharf, zu sauer oder zu sonstwas, aber das mag früher anders gewesen sein und ist sowieso Geschmacksache. Danke auf jeden Fall für Deine Eindrücke.