Letzten Donnerstag machten wir uns auf den Weg nach Kreuzberg. Wir folgten einem Tipp aus dem Freundeskreis und hatten einen Tisch im ‚Mädchen ohne Abitur‘ reserviert. Das war eine weise Entscheidung, sowohl die Wahl des Restaurants, als auch die vorherige Reservierung, denn das Mädel wurde rasch pickepackevoll.
Den Namen verdankt das Restaurant einer wunderbaren Geschichte über eine gescheiterte Filmdiva, Rotlicht, leichte Mädchen (ohne Abitur) und Susi, die mit einem großen Nachlass bedachte Bardame. Deren ‚Erben‘ wiederum servieren jetzt Speisen und Getränke unter Rotlicht, wie es die Kreidetafel vor der Tür verkündet. Wer alle fantastischen Details wissen will, der findet die ‚ganze Wahrheit‘ auf der Website vom Mädchen ohne Abitur.
Das Ambiente ist plüschig, 50er Jahre, halbseiden, sehr gemütlich und stimmig. Die Karte ist ein liebenswertes Chaos. Aus jedem Dorf ’n Köter, vom Thaicurry bis zur Roulade, mit merkwürdigen Ideen wie einer Vorspreisenportion Spaghetti Bolognese (bestellt das je irgendwer?). Unsere Wahl fiel auf Dim Sum und Vitello Tonnato vorweg. Ich kann einfach keinem Vitello aus dem Weg gehen, wenn ich eines auf der Karte sehe, betrachte mich mithin, wenn nicht als Experten, so doch als sehr erfahrenen Kalbsfleisch-mit-Thunfischcreme-Verputzer. Und diese sehr klassische Variante mit Kapernäpfeln statt ordinärer Kapern war ausgezeichnet. Die Dim Sum konnten uns ebenfalls begeistern.
Oma hat uns immer gewarnt: Mädchen ohne Abitur enden böse, am Ende gar in einer Fernfahrerkneipe. Und an eine solche erinnerte die Piccata Milanese zum Hauptgang – jedoch nur, was die Portionsgröße angeht. Das Schnitzel war groß, der Berg Nudeln kaum erklimmbar und das gereichte Zitronenpesto himmlisch lecker. Unser zweites Hauptgericht, ein vegetarischer Auberginenauflauf, war ebenfalls sehr gut und völlig überdimensioniert. Der Vorteil für den Gast ist, dass man auch nur einen Hauptgang bestellen und trotzdem pappsatt aus dem Laden rollen kann. 50 Euro zu zweit reichen dann locker.
Wermutstropfen im Mädchen ohne Abitur ist die Weinkultur. Ich erkundigte mich, ob einer der angebotenen Weißweine im Holzfass ausgebaut sei, weil mir solcherlei bereiteter Wein zum Vitello Tonato schmeckt. Ohne um den heißen Brei herumzureden teilte mir unser Kellner mit, weder er noch einer seiner Kollegen wüssten eine Antwort. Der ersatzweise georderte Rotwein war eher schwach. Ich wich schließlich auf einen Faustino Crianza aus, das ist ein verlässlicher spanischer Supermarktwein. Da können die Abkömmlinge von Susi noch eine Schippe drauflegen.
Die mäßige Weinkultur wird von der ansteckenden Fröhlichkeit des Servicepersonals wettgemacht. Hier sind leidenschaftliche Vollblutgastgeber am Werk und das ist uns wichtiger als das letzte Bisschen Perfektion auf dem Teller oder im Glas. Gerade für eine Date Night ist diese Mischung aus Plüsch und Frohsinn ein ideales Ambiente.
Hier geht’s zur Webseite von ‚Mädchen ohne Abitur‘
Ambiente: retroplüsch mit Wohlfühlfaktor
Preise: moderat
Preis-Leistungsverhältnis: sehr gut
Fazit: Das sollte man unbedingt ausprobieren