Der nördliche Ausläufer des Prenzlauer Berges rund um den Humannplatz gehört eigentlich schon zur kulinarischen Diaspora und verbreitet deutlich weniger Schwabenglamour als das Karree einen Block weiter südlich rund um den Helmholtzplatz. Zwar gibt es bei Zia Maria in der Pappelallee eine der aufregendsten Pizzen der Stadt, die aber eher mittags oder zwischendurch. Einzig das ‚Frau Mittenmang‘ stand in diesem Kiez auf unserer Wunschliste, das allerdings schon lange und aus besonderem Grund. Weiterlesen
Schlagwort-Archive: Prenzlauer Berg
Der Hahn ist tot
Letzten Donnerstag verbrachte wir die wohl günstigste Date Night seit langem. Dabei mussten wir keine Askese üben, wir besuchten schlicht ein Restaurant, das es uns unmöglich machte viel Geld loszuwerden. Der Spass kam trotzdem nicht zu kurz, auch weil wir kein Problem damit haben, mal mit Abstand die ältesten Gäste in einem Laden zu sein.
Das Restaurant ‚Der Hahn ist tot‘ befindet sich direkt am Zionskirchplatz. Wir schauten aus unserem Fenster direkt auf die Kirche. Die Einrichtung ist simpel, rustikal aber gemütlich und passt bestens zum jungen Publikum, das zumindest bei unserem Besuch zu 80% aus Frauen bestand. 15 Tische mögen es sein und an geschätzten zehn davon saßen fröhliche Mädelsrunden, der Lärmpegel war animierend, die Stimmung enorm fröhlich.
Der tote Gockel ist ein Konzeptrestaurant – nicht Schickimicki, sondern geerdet. Es gibt ein ländliches Vier-Gang-Menü deutscher oder französischer Prägung und das kostet 20 Euro. Gesetzt ist der zweite Gang, ein Salat, sowie der vierte, das Dessert. Zum Start hatten wir die Wahl zwischen einer Topinambur-Suppe und einem mit Gruyère überbackenen Chicorèe, beim Hauptgang standen der immer verfügbare Coque au Vin, ein Boeuf Bourguignon, Dorade aus dem Ofen oder als vegetarische Variante ein gebackener Ziegenkäse zur Auswahl. Wir wählten die beiden Vorspeisen sowie das Bouef und den Ziegenkäse, der mit Rosmarin-Quitten auf Möhren-Kartoffelpüree serviert werden sollte.
Die Vorspeise stand ratzfatz auf dem Tisch, was auch daran lag, dass die Suppe in einem großen Warmhaltetopf auf einer Kommode im Gastraum steht. Suppenesser bedienen sich selbst und die Küche muss sich lediglich um eine Vorspeise kümmern. Um keine Hektik aufkommen zu lassen achtet der sehr nette Service darauf zwischen allen Gängen eine zehnminütige Pause einzuhalten. Die Topinamburcreme war sehr lecker, ebenso die überbackene Zichorie und das zu beidem gereichte Brot. Ein weiterer Gag und Beitrag zur Gemütlichkeit auch die Präsentation des Salates: Er kam in einer Schüssel als Portion für zwei. Der Gast macht ihn sich selber an mit Oliven- oder Walnussöl, Himbeer oder Estragonessig. Im Salat fanden sich Birnenspalten und frisch geröstete Haselnüsse, mit Himbeeressig und Walnussöl ein Gedicht.
Abzüge gab es beim Hauptgericht. Der Ziegenkäse war innen kalt und das Bouef war recht trocken. Es war mit Fleisch aus der Keule zubereitet, was zwar dem gängigen Rezept entspricht, in der guten Gastronomie aber häufig durch Ochsenbacke oder anderes etwas marmoriertes Fleisch ersetzt wird, damit es saftig bleibt. Lecker schmeckte beides allemal. Das Dessert war eine Zitronentarte, die mit einem herrlich lätschigen Teig genau richtig daher kam und unser Dinner würdig ausklingen ließ.
Als nette Idee empfanden wir, dass die Apfelschorle in der Karaffe serviert und in die Weingläser gefüllt wurde, wie der Service überhaupt sehr aufmerksam und herzlich war. Bei 5 Euro für den halben Liter Apfelschorle brachten wir es also gerade mal auf 50 Euro für ein gelungenes Mehrgangmenü. Das Team vom ‚Der Hahn ist tot‘ kocht ehrliche Gerichte aus einfachen Zutaten, die dann zu sehr zivilen Preisen aufs netteste an den Tisch der fröhlichen Gemeinde gebracht werden. Herz, was willst Du mehr?
Hier geht’s zur Webseite vom ‚Der Hahn ist tot‘
Ambiente: urig, einfach und gemütlich
Preise: günstig
Preis-Leistungsverhältnis: großartig
Fazit: Frohsinn!
Buntspecht
Diesen Donnerstag waren wir Wiederholungstäter – geplante Wiederholungstäter: Immer wenn wir grosse Zufriedenheit nach einer Date Night verspüren, wollen wir diese teilen. Da wir Besuch hatten, gingen wir in das Restaurant Buntspecht, mitten im Prenzlauer Berg.
Schon vor ein paar Wochen waren wir auf eine Empfehlung hin im Buntspecht eingefallen und wahnsinnig glücklich wieder heraus gekommen. Nun war mein Vater in Berlin. Da er uns an den Wochenenden seiner Besuche immer als Babysitter Freiräume verschafft, bestehen wir im Gegenzug darauf, wenigstens zur Date Night unseren regulären Babysitter anzuheuern und ihn auszuführen. Und wir hatten schon nach unserem ersten Besuch im Buntspecht beschlossen: dies ist ein Laden der auch meinem Vater gut gefallen würde.
Wir nahmen unsere Drinks vorab im ‚Wohnzimmer‘ – ein wundervolles mit original ostdeutschem Interieur ausgestattetes Lokal, in dem man rauchend oder auch nichtrauchend sein Bier oder Wein geniessen kann. In der kalten Jahreszeit starten wir hier gerne in eine Date Night – und für meinen Vater war es allein aufgrund der schedderigen Charme versprühenden Einrichtung ein Highlight.
Der Buntspecht liegt fussläufig nur wenige Minuten und Meter vom Wohnzimmer entfernt in der Senefelder Straße. Wir hatten nicht reserviert, bekamen aber ohne Probleme einen Tisch. Im Prenzlberg dauert es etwas länger, bis sich Restaurants durchsetzen. Helfen dürfte dieser Artikel aus der Morgenpost von vorletzter Woche. Die Einrichtung ist Einfach aber sehr schick, der Service ist nicht nur für Berliner Verhältnisse superfreundlich.
Die Speisekarte des Buntspecht ist übersichtlich und wechselt regelmäßig. Schwerpunkt bei den Zutaten liegt auf Produkten aus der Region. Wir entschieden uns für ein Maronenschaumsüppchen, das mit einer raffinierten Einlage aus Rosenkohlblättern begeistern konnte, einen sehr guten Salat und ein Beef Tartar. Letzteres war einfach gnadenlos gut abgeschmeckt. Das geht nicht besser.
Der Kartoffelrösti mit Waldpilzen und allerlei anderen Beilagen war fein aber keine Sensation, die rosa gebratene Entenbrust genügte sehr hohen Ansprüchen aber das beste Hauptgericht war der Mecklenburger Hirschrücken – auf den Punkt gegart mit sehr feinen Beilagen und einer tollen Sauce. Die Preise für die Vorspeisen lagen um 10, für die Hauptspeisen 15 und 25 Euro, Tartar und Hirsch waren jeweils höher aber angemessen bepreist.
Zu meckern gibt es auch etwas: die Weinauswahl. Wir mögen da etwas wählerischer sein als andere aber keinesfalls pingelig. Das Buntspecht verfügt über ordentliche offene Weine, die Luft nach oben lassen (die weißen noch mehr als die roten), dafür aber die Rechnung nicht in schwindelige Höhen katapultieren. Leider war nichts dabei, was den Hirsch angemessen begleiten konnte, weder im Offen-Ausschank noch bei den Flaschen fand sich ein Wein, der thematisch wirklich passte noch qualitativ annähernd an die Meisterleistung an der Küche heranreichte. Da wünschen wir dem Team vom Buntspecht mehr Mut. Wir sind sicher, wir werden irgendwann wieder hingehen und selber nachschauen, was sich in Sachen Wein im Buntspecht tut – dann müssen wir bestimmt auch reservieren.
Hier geht’s zur Webseite vom Buntspecht
Ambiente: klein, schnörkellos und gemütlich
Preise: leicht gehoben
Preis-Leistungsverhältnis: sehr gut
Fazit: Wiederholungsgefahr
Tim Raue jr.: ‚la soupe populaire’
Ein guter Freund von uns interviewte vor Jahren den damals dreifach besternten Koch Juan Amador für den Wirtschaftsteil der FAZ zum Thema ‚Die Ökonomie der Sternegastronomie‘. Amador gab zu Protokoll, mit Sterne-Menüs könne man kein Geld verdienen. Auf die Frage, womit denn dann, erwähnte er Fernsehauftritte, Kreuzfahrt-Gigs auf der MS-Europa, Beratungsmandate und das ‚Zweitrestaurant‘. Da könne man trotz günstigerer Preise mit erheblich niedrigerem Wareneinsatz einen sehr profitablen Betrieb aufbauen. Daran fühlte ich mich gestern erinnert. Wir waren im ‚la soupe populaire’, dem Zweitrestaurant von Starkoch Tim Raue und das ‚Senfei tr‘ (letzteres steht für Tim Raue) war zwar das leckerste Senfei unseres Lebens aber am Ende war es ein Senfei.
Mit selbst gemachten Kartoffelchips, Kartoffelstampf, Senfsauce von zweierlei Senf und einem gestrichenen Teelöffeln Keta-Kaviar. Bei einem Preis von 10 Euro für das Schälchen Vorspeise, liegt der Wareneinsatz bei nicht einmal 15%. Gleiches galt für den Kohleintopf mit einer Scheibe Kalbfleisch aus der Keule: der leckerste aller Kohleintöpfe, für 15 Euro bezahlbar aber preislich ohne Bezug zum Wareneinsatz.
Das war für uns ein winziger Mangel. Tim Raues Rezepte sind sehr lecker, bei einigen Gerichten die Handwerkskunst groß (etwa bei der Berliner Leber) und hier darf man das alles mal auf einfachere Zutaten angewendet erleben – dafür zum erschwinglichen Preis. Wer zwei Gänge nimmt und Wein glasweise trinkt, kann als Paar für unter hundert Euro satt und glücklich werden. Die Weinkarte listet einige bezahlbare Weine und diverses überkandideltes auf, die offenen Weine stammen allesamt aus Deutschland (von den Weingütern Schneider, Dreissigacker und Meyer-Näkel), was vielleicht nicht jedermanns Sache ist.
Neben dem Senfei, der Leber und dem Kohleintopf hatten wir noch die sehr guten Königsberger Klopse. Das ist ein undankbares Gericht, denn irgendeiner am Tisch hat immer eine Oma, deren Klopse die besten der Welt sind oder waren, da helfen auch keine Michelin-Sterne. Gestern durfte Eike die Rolle einnehmen, denn wir waren zu dritt. Unser Freund war Strohwitwer und kurzerhand als Gaststar eingekauft. Sein Eisbein vom Spanferkel war ebenfalls sehr gut.
Das Ambiente des ‚la soupe populaire’ ist außergewöhnlich. Es liegt im Atelierhaus auf Bötzow, einem Areal an der Prenzlauer Allee. Das halb entkernte ehemalige Fabrikgebäude hat einen urigen Charme und wird als Ausstellungsraum für die Werke renommierter zeitgenössischer Künstler genutzt. Auch wer nicht dinieren will, sollte mal einen Blick riskieren, der Eintritt ist frei. Zu jeder Ausstellung kreiert Tim Raue eine eigene Speisekarte, die durch saisonale Gerichte mit regionalen Zutaten ergänzt wird. Das Restaurant steht frei in der riesigen Ausstellungshalle auf alten Gusseisernen Aufbauten, die windschief aber stabil gleichzeitig stylisch und urig wirken. Enorm gestört hat der Gestank nach Kloake im Eingangsbereich, der glücklicherweise nicht bis in den Gastraum schwappte. Ob ein kurzfristiges Malheur oder grundsätzliche Mängel in der Bausubstanz verantwortlich, die Probleme mithin außerordentlich oder dauerhaft sind, haben wir nicht erfragt.
Die Tische sind begehrt, Reservierung ist zwingend notwendig. Wir hatten einen Slot in der ‚Frühschicht‘, weswegen wir schon um 20 Uhr durch mit dem Essen waren. Unser ‚Wohnzimmer‘ liegt nur eine Kurzstrecke mit dem Taxi entfernt und so nahmen wir noch einen Absacker im Rutz. Das werden wir in seiner Funktion als Weinbar und Restaurant noch einmal separat besprechen, sobald wir die Zeit finden.
Hier geht’s zur Webseite von ‚la soupe populaire’
Ambiente: stylisch aber nicht kalt
Preise: moderat
Preis-Leistungsverhältnis: mittelmäßig
Fazit: beeindruckend